Daniel Bierofka hat bei seiner Trainingslager-Bilanz selbst von einer “brutalen Entscheidung” gesprochen – tatsächlich ist das Torhüter-Duell zwischen Marco Hiller (20) und Herausforderer Hendrik Bonmann (24) eng ohne Ende. Keiner hat in der bisherigen Vorbereitung “daneben” gegriffen, was die Wahl für Bierofka umso schwerer macht. Doch nur einer kann spielen. Von einem Wechselspiel hält der Trainer nichts. Bei der Generalprobe gegen Blau-Weiß Linz (Freitag, 14.30 Uhr) soll Bierofkas Nummer 1 90 Minuten im Tor stehen. Wer macht das Rennen? Wir haben Herausforderer Bonmann zum db24-Interview getroffen.
dieblaue24: Herr Bonmann, was ist wahrscheinlicher: Dass Ihr Nahrungsergänzungspulver der Firma Begreen durch die Decke geht oder 1860 aufsteigt?
HENDRIK BONMANN: Beides gleich – weil an beiden Sachen bin ich ja beteiligt (lacht laut). Gute Frage, aber jetzt im Ernst: Ich glaube, der Aufstieg ist zeitlich wahrscheinlicher. Bis dahin ist das Pulver noch nicht durch die Decke, aber es ist auf einem ziemlich guten Weg.
Warum entscheidet man bereits in so jungen Jahren, neben dem Fußball ein zweites Standbein aufzubauen?
Ich bin gerade 24 geworden, ich habe das Abitur, aber keine Ausbildung und kein Studium. Ich mache das, um für mein Leben zu lernen. Ich lerne viel über Vertrieb und Marketing und bin viel am kontakten. Der Hauptgrund war aber, dass ich dieses Start-up-Unternehmen kennengelernt habe und von den Produkten absolut überzeugt bin. Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben das gefunden, was meinem Anspruch zum Thema “bewusste Ernährung” gerecht wird. Ich nehme die Produkte seit anderthalb Jahren und bin begeistert. Deswegen habe ich gesagt: Lasst uns zusammenarbeiten! Ich weiß, dass der Markt groß ist, aber es geht auch nicht darum, damit großes Geld zu verdienen. Ich bin an der Firma nicht beteiligt, aber ich bekomme eine Provision, die ich zum Teil an ein Netzwerk gegen Kinderprostitution spende – das ist mir ganz wichtig.
Wen konnten Sie schon alles für Ihr Pulver begeistern?
Es gibt schon viele Profivereine und Bundesligaspieler, die unsere Produkte kaufen. Max Meyer, Dennis Aogo und Mathias Ginther und Julian Weigl testen jetzt beispielsweise. Hannover, Eintracht Frankfurt und ein dritter Verein, den ich jetzt aber nicht nennen werde, nehmen unsere Mittel. Nein, es ist nicht Schalke und auch nicht Bayern (lacht). Auch unsere Jungs haben die Produkte für sich entdeckt, auch die Trainer sind begeistert.
Sie passen nicht ins Klischee der typischen Fußballer, die sich mehr für schnelle Autos, Playstation, Shoppen, neue Frisuren und Tätowierungen interessieren…
Bei Tätowierungen würde ich Probleme mit meiner Mutter bekommen (lacht). Tattoos hat es in unserer Erziehung nicht gegeben. Meine Mutter mag das nicht so, aber ich bin auch kein Freund davon. Ich brauche das nicht. Und wenn man meine Matte und mich so anschaut, sollte ich öfter zum Frisör und zum Shoppen gehen. Bei mir ist das etwas eintönig – meine Freundin beschwert sich auch schon ab und an…
Kommen wir zum Sport: Wie sehen Sie den Zweikampf zwischen Hiller und Ihnen?
Zunächst mal: Es war defintiv kein Fehler, im vergangenen Herbst verletzt zu 1860 zu wechseln. Jetzt bin ich topfit. Ich habe mir seitdem vorgenommen, jedes Training Vollgas zu geben – das mache ich auch. Das heißt aber nicht, dass ich jedes Training perfekt trainiere. Aber ich hole alles aus mir aus. Ich versuche dem Trainer, die Entscheidung so schwer wie möglich zu machen. Mehr kann ich nicht tun. Alles andere liegt nicht in meiner Hand.
Sie hatten kürzlich gesagt, dass Sie eine Nichtberücksichtigung mit einer “Niederlage” gleichsetzen würden…
Wenn ich das als Torwart nicht so sagen würde, wäre ich falsch in dem Job und müsste mich selbst verhauen. Wenn ich nicht spiele, dann ist das zunächst immer eine Niederlage. Wenn ich bei Real Madrid auf der Bank sitzen würde, dann wäre es vielleicht nicht so eine Niederlage. Ich bin extrem ehrgeizig und sehe es genauso als Sieg, wenn ich spiele.
Sie saßen bei Borussia Dortmund desöfteren als Nummer 2 auf der Bank oder hüteten das Tor der U23 – was ist der größte Unterschied zu 1860?
Eine U23 ist was ganz anderes als eine Herrenmannschaft, andererseits haben wir auch eine extrem junge Mannschaft mit ein paar alten Hasen. Bei der U23 der Borussia waren wir extrem spielerisch, vielleicht auch zu verspielt. Das Ergebnis zählt zwar, war aber irgendwie zweitrangig. Die Fans haben uns gefeiert, auch wenn wir verloren haben. Bei 1860 ist es viel leistungsorientierter und nehme ich auch das Spiel war. Vielleicht ist das Spiel bei 1860 nicht so schön, aber dafür effektiver. Es ist alles zielstrebiger, es ist mehr Feuer drin. Wenn alle fit sind, haben wir eine extrem hohe Konkurrenzsituation. Ich habe schon Dritte Liga gespielt und ich glaube, dass wir auch mit unserer Mannschaft sehr gut dort bestehen würden.
Warum verlässt man überhaupt eine Plattform wie Borussia Dortmund und wechselt in die 4. Liga zu Sechzig?
Ich war aus der U23-Regel raus und habe mir vorgenommen, wenn ich nicht die Nummer zwei werde, will ich den nächsten Schritt machen. Und nachdem Roman Weidenfeller verlängert hat, war für mich klar, dass ich aus dieser Komfortzone raus will. Ich habe mich in Dortmund dort superwohl gefühlt, der BVB ist mein Herzensverein. Aber es hat nicht gereicht für mich, auch wenn ich heute noch die Dankbarkeit der Fans spüre. Aber manchmal muss man auch rausbrechen, um neue Ziele zu erreichen.
Da kam die Anfrage von 1860 gerade recht…
Daniel Bierofka hatte mich schon im Sommer angerufen – Julian Weigl hat dann vermittelt. Ich habe Ju vorher gefragt, ob er Daniel Bierofka mal fragen will, ob 1860 noch einen Torwart suche. Die Löwen haben mich schon immer gereizt, weil der Verein vor allem für seine Tradition steht. Ich hatte zwar auch Angebote aus der Dritten Liga, aber der Reiz bei 1860 zu spielen, war schon größer. Natürlich ist es riskant, in die Regionalliga zu wechseln. Ich habe auch freiwillig auf viel Geld verzichtet. Andererseits kann es mit Sechzig auch eine Märchengeschichte werden, mit diesemn Traditionsverein in den Profifußball zurückzukehren. Diesen Gedanken fand ich eine geile Nummer – da bekommt man Gänsehaut. Ich muss schon sagen: Ich bin irgendwie ein Fußball-Romantiker, ich will Teil dieser Erfolgsgeschichte sein. Ich habe keinen Bock, im Sommer schon wieder abzuhauen. Das ist nicht meine Art. Ich will mit 1860 Geschichte schreiben.
Am Ende könnte der Löwen-Aufstieg in die Dritte Liga an zwei schlechten Tagen in der Relegation scheitern…
Ich habe mich schon einmal in den sozialen Netzwerken dazu geäußert – für mich ist die Aufstiegsregelung illegal. Für mich ist das Wahnsinn, im Westen tummeln sich beispielsweise zig Traditionsvereine. Am Ende wirst du dort mit zehn Punkten Vorsprung Meister und scheiterst – wie Waldhof Mannheim – vielleicht zweimal im Elfmeterschießen. Das ist nicht gerecht. Ich kann die Gründe für diese Ligareform nicht nachvollziehen. Als Sportler brauchst du nicht ein paar Tage, sondern Wochen, um dies zu verkraften. Das macht den Druck für uns noch größer. Auch wenn wir derzeit einen großen Vorsprung haben, müssen wir in der Regionalliga Bayern erstmal Erster werden – das muss unser Anspruch sein. Bis dahin sollten wir nicht an die Relegation denken.
Wie wichtig war Sie in den Verhandlungen der Name Bierofka?
Ich bin Fußballromantiker: Ich war ehrfürchtig und demütig, als ich mit Bierofka telefoniert habe. Auch wenn ich mit der ersten Mannschaft von Dortmund gespielt habe, aber Bierofka ist für mich schon ein Stückchen deutsche Fußball-Legende. Er war Nationalspieler. Wenn so einer zu dir am Telefon sagt: “Hendrik, ich will dich!”, dann ist das schon etwas Besonderes. Bierofka ist aktuell der Kopf von 1860. Was er in den Verein im letzten halben Jahr investiert hat, dafür müsste man ihm eigentlich mehr zahlen. Ich glaube, der ganze Verein und auch die Fans sollten ihm sehr dankbar sein.