VON BERND SCHLEMMER

Mein Name ist Bernd Schlemmer. Ich bin verheiratet, wir haben zwei Söhne, sind natürlich alle Löwenfans mit Dauerkarten und ich bin Mitglied bei 1860 seit 1993. Zusammen mit meinem älteren Sohn betreibe ich in Jesenwang eine Agentur für Marketing und Kommunikation mit Fokus auf Webdesign und Social Media.
 
Auslöser dieses Artikels war ein Bericht auf dieblaue24 mit der Überschrift „Respekt, Herr Reiter“. Die Überschrift des Beitrags, die meiner Meinung nach viel zu positive Darstellung von Herrn Reiter und seine Bereitschaft 1860 Gutes zu tun, decken sich in keinster Weise mit meiner Einschätzung. Dies habe ich Herrn Griss gegenüber auch kundgetan und so entstand die Idee für diesen Gastkommentar.
 
Meine Überschrift hätte gelautet: „Bitte nur Fakten, Herr Reiter!“ In der vergangenen Woche hat Herr Reiter bei einem Besuch bei den Löwen auf der Wiesn wieder mal das Thema Stadion angesprochen. „Drehtüren würde 60 bei ihm einrennen, wenn es um die Spielstädte Olympiastadion geht und er verstehe überhaupt nicht, warum dort niemand spiele“. Das würde er jedoch schon, hätte er sich im Vorfeld nur ein bisschen informiert. In der Dritten Liga ist das Olympiastadion wohl kein Thema und bei Aufstieg gilt die DFB-Auflage: Stadien in der 1. und 2. Liga müssen überdacht sein! Das kann man überall nachlesen. Eine weitere Option wäre gewesen, sich im Vorfeld mal mit dem Betreiber oder der eigenen Verwaltung zu unterhalten. So geschehen am Tag darauf durch die Abendzeitung. Diese fand heraus, dass die Stadtverwaltung eine Zweitligatauglichkeit des Stadions überhaupt noch nie ernsthaft geprüft habe. Man geht dort aber davon aus, dass das Stadion ohnehin nicht mehr in einem Zustand ist, dass es regulär in der 2., geschweige 1. Liga genutzt werden könnte. Auch der Olympiapark selbst bestätigt auf eine ausführliche AZ-Anfrage zum Thema: „Eine Komplettüberdachung ist in der Zweiten Liga vorgeschrieben, eine dauerhafte Nutzung sei daher nur sehr eingeschränkt möglich“. 2023 und 2024 stehen zu bestimmten Zeiten auch noch die Hälfte des überdachten Bereichs nicht zur Verfügung. Es gibt viele bereits geplante Konzerte und ab Herbst 2023 werden ganze Bereiche gesperrt. Ab Herbst 2025 ist das Stadion dann jahrelang wegen Sanierung komplett dicht. So kann ich für meinen Teil Herrn Reiters Drehtüren-Aussage nur zwei Bereichen zuordnen:
 
Opportunismus oder ungenügender Vorbereitung. Beides definitiv nichts, was mir Respekt abnötigt. Zudem wurden von Seiten des Vereins bereits mehrmals die hohen aktuellen Kosten für Stadionmiete und MVV angesprochen und die Stadt hat bisher keinerlei Entgegenkommen signalisiert. Durch diverse Faktoren erwirtschaftet 1860 München im Ligavergleich insgesamt rund 1,5 Millionen Euro weniger als die Konkurrenz. Hier hätte Herr Reiter also genügend Potenzial, den Löwen Gutes zu tun.

Soll 1860 dem Umbau des Grünwalder Stadions zustimmen, obwohl die Kultstätte niemals bundesliga-tauglich sein wird?

Umfrage endete am 05.10.2022 20:00 Uhr
Nein!
84% (7885)
Ja!
16% (1518)

Teilnehmer: 9403


 
Generell ist natürlich festzuhalten: Das Thema Stadion ist nicht einfach und mit vielen Emotionen und auch Enttäuschungen behaftet. Ich möchte hier klarstellen, dass ich mich keinem Lager zugehörig fühle. Ob jemand mit dem e.V. sympathisiert oder der Fußball KGaA, ob man Ismaik nahesteht oder unter der Anzeigentafel, ob jemand in Abu Dhabi wohnt oder in Giasing - vollkommen egal! Es geht für mich nur um den Erfolg der Profi-Fußballmannschaft. Darum heißt es jetzt zusammenhalten und an einem Strang ziehen. Wir brauchen langfristig eine neue Heimat und auch 1860-Präsident Robert Reisinger zeigt sich nun gesprächsbereit. Ihm sei vor allem wichtig, „[…] dass wir in einem Stadion spielen, das das wirtschaftliche Überleben der KGaA gesichert ist – bevorzugt in Giesing“, wird der Oberlöwe im Münchner Merkur zitiert, stellte aber auch klar: „Wenn es an einem anderen Standort wirtschaftlicher ist, ist nichts dagegen einzuwenden.“

Die Allianz Arena ist ein schönes und modernes Stadion, war aber nie, besonders in der Konstellation mit dem anderen Verein, eine Heimat für die Löwen. Das Grünwalder und generell Giasing jedoch sind schon Orte, an denen ich mich heimisch fühle. Ich bin mit Sicherheit kein Nostalgiker, der in der Vergangenheit schwelgt. Im Gegenteil, mich interessiert die Zukunft, in der werde ich leben. Das Flair in Giasing aber vor dem Spiel, überall Löwen, ein Bier in einer Stehkneipe oder eine frische Bratwurst im Giesinger Bräu, die Stimmung im Grünwalder, dies alles hat schon was und ist besonders, sogar für unsere Söhne, die definitiv eine andere Generation repräsentieren. Ich glaube auch nicht, dass das umgebaute Grünwalder Stadion mit 18.000 Zuschauern einen großen Wettbewerbsnachteil für Sechzig bedeuten würde. Die drei ausschlaggebenden Einnahmequellen im Profifußball sind mittlerweile Sponsoring, Fanartikel und Fernsehgelder und so wird die Bedeutung der Ticketerlöse immer geringer. Es lohnt auch ein Blick auf den aktuellen Bundesliga-Tabellenführer: Die Alte Försterei bietet Platz für 22.000 Zuschauer! Man kann also auch mit einem kleinen Stadion groß aufspielen und mit weniger Zuschauern viel erreichen. Wenn es wirklich zukünftig die Möglichkeit gibt, ein neues, größeres Stadion zu bauen, werde ich das wie auch die Löwen dort natürlich unterstützen. Momentan aber, zumindest bis es etwas Besseres gibt, ist das Grünwalder für Sechzig das Beste!
 
In diesem Sinne: Auf die Löwen und viele Grüße
 
Bernd Schlemmer