VON OLIVER GRISS

Kontinuität und Ausdauer wird in den deutschen Profi-Vereinen immer wieder gepredigt, doch gehandelt wird ganz anders. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen. Die Trainergilde verkommt immer mehr zur nervösen Hire & Fire-Branche.

Die Gründe sind schnell erzählt: Erstens sitzen auf den Managerstühlen teilweise Laiendarsteller, zweitens wird sich beim Casting-Verfahren mit dem auserwählten Trainer-Profil nicht detailliert auseinander gesetzt (Passt der überhaupt zu meinem Verein? Hat er Durchsetzungsvermögen? Ist er variabel?) - und drittens die einfältige “Denke” der Vereinsverantwortlichen: Bevor der Fokus auf mich möglicherweise fällt, zieh ich die Reißleine und opfere den Trainer, um abzulenken. Ein beliebter Joker. Und dann geht natürlich auch immer mehr der Trend Richtung Laptop-Trainer. Typen wie Werner Lorant oder Huub Stevens hätten es im heutigen Weichei-Zeitalter schwer, beim kickenden Personal Akzeptanz zu finden.

Bei den jüngsten Trainer-Entlassungen sticht vor allem der frühe Zeitpunkt ins Auge: Im Fußball-Oberhaus wurden bereits nach dem zweiten Spieltag zwei Übungsleiter entlassen (David Wagner auf Schalke, Achim Beierlorzer bei Mainz 05), in der Zweiten Liga wurde Würzburgs Aufstiegstrainer Michael Schiele gefeuert. Mit Marco Antwerpen steht bereits ein neuer Trainer parat. Dass Schiele die Würzburger in die Zweite Liga geführt hat? Vergessen! Der Kader wurde nach dem Aufstieg nicht verbessert, eher qualitativ abgebaut. Ob Felix Magath da richtig hingesehen hat?

Auch in der Dritten Liga hat sich heute der noch punktlose 1. FC Kaiserslautern von Boris Schommers getrennt. Nach etwas mehr als einem Jahr hat Schommers schon wieder ausgedient. Was auch keine große Überraschung irgendwie ist: Der ruhmreiche Krisenklub FCK war für den ehemaligen Co-Trainer von Michael Köllner ein, zwei Hausnummern zu groß. Mit seiner Arbeit in der Pfalz wird man vor allem den Rauswurf von FCK-Legende Gerry Ehrmann verbinden, nicht aber mit einer Vorwärtsentwicklung des viermaligen deutschen Meisters.

Die Löwen sind in dieser Diskussion fein raus: In den letzten Jahren hat 1860 mit seinen Trainer-Entscheidungen Glück gehabt, aber auch Weitsicht bewiesen: Erst übernahm Daniel Bierofka die schwere Aufgabe, den Verein in der Stunde Null zu übernehmen. Er führte Sechzig von der Regionalliga Bayern sofort in den bezahlten Fußball zurück - und das trotz vieler Widerstände an der Grünwalder Straße 114. Im November 2019 warf er nach einem 4:2-Sieg über Viktoria Köln freiwillig hin. Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel präsentierte zeitig Michael Köllner als Bierofka-Nachfolger. Der Oberpfälzer macht einen guten Job und ist ein Gewinn für die Löwen-Familie. Da gab’s schon ganz andere Zeiten auf Giesings Höhen. Hoffentlich kommen die nicht so schnell wieder.