VON OLIVER GRISS

Warum 1860-Präsident Robert Reisinger so selten Interviews gibt, kam in dieser Woche deutlich zum Vorschein: Es ist auch besser, wenn er sich in der Öffentlichkeit künftig wieder zurückhält, denn a) kommen meist unüberlegte Aussagen zu stande, die vereinsintern und auch extern für Wirbel Sorgen - und b) unkorrekte Aussagen, die er hinterher versucht, wenig glaubhaft zu entschuldigen - und c) weil “Blogger” (hat’s diese Berufbezeichnung vor über 30 Jahren schon gegeben?) und unabhängige Reporter (Gruss an BR-Mann Markus Othmer!) sich erdreisten, Reisingers wenig glanzvolles Wirken als Oberlöwe zu hinterfragen…

Zun Glück startet am Sonntag für die Löwen die Drittliga-Rückrunde: Auf dem Platz stehen dann nicht 11 Reisingers gegen das aufgemotzte Eintracht Braunschweig, sondern ehrgeizige, motivierte Kerle mit Rückgrat, die mit 1860 ins nächste Level vorstoßen wollen. Das Duell hat Finalcharakter. Dieses Spiel entscheidet, ob die Löwen nochmal oben angreifen können. Beide Teams werden vermutlich mit offenem Visier agieren.

Uns haben in den letzten Tagen gleich mehrere Emails von Löwen-Fans mit der Frage erreicht: Warum nutzt 1860 - bei nur vier Punkten Rückstand auf Platz drei - nicht die Aufstiegschance auf die Zweite Liga? Warum werden die Bonuszahlungen für die ehemaligen Talente Marin Pongracic und Julian Weigl nicht sofort reinvestiert und damit die Mannschaft entscheidend verstärkt?

Wer die Löwen in den Tagen des Trainingslagers in La Manga beobachtet hat, wird die Frage rasch beantworten: Diese Gruppe - und genau in dieser Konstellation - hat es verdient, sich bei 1860 für höhere Aufgaben zu empfehlen. Deswegen war die Entscheidung der sportliche Leitung richtig, keine neuen Impulse zu setzen und auf bewährtes Spielermaterial zu bauen. Natürlich ist dies angesichts der fehlenden Sturmalternativen ein schmaler Grat, denn was ist, wenn sich Sascha Mölders verletzt oder plötzlich nicht mehr trifft? Alles hypothetisch.

Wir hoffen, dass sich der eingeschlagene Weg auszahlt, denn es ist derzeit eine wahre Freude, die Mannschaft zu beobachten - wie sie sich entwickelt und zu einer verschworenen Gemeinschaft weiter zusammengewachsen ist. Es ist dem guten Auge von Ex-Trainer Daniel Bierofka zu verdanken, dass er Charaktere an der Grünwalder Straße versammelt hat, die nicht als Ich-AG arbeiten, sondern den Teamgedanken in den Vordergrund stellen. Sein Nachfolger Michael Köllner versteht es, die angefangene Arbeit fortzusetzen und diese Sportler weiter zu kitzeln. Dass es so gut funktioniert, ist aber auch ein großer Verdienst von Platzhirsch Sascha Mölders, der die Truppe auf und neben dem Platz wie ein reifer Papa zusammenhält. Und gerade deswegen hat es der bald 35-jährige Mölders auch verdient, dass Sechzig ihm ein neues Vertragsangebot auf den Tisch legt.