Das 1860-Präsidium hat sich im neuesten Vereinsheft an die Mitglieder gewandt - mit einer überraschenden Sichtweise. Unterschrieben wurde das Statement von Robert Reisinger, Heinz Schmidt und Hans Sitzberger. Aber lesen Sie selbst:

In der täglichen Medienberichterstattung rund um unseren Verein und die ausgegliederte Profi-Fußballtochter beantworten sich nicht automatisch alle Fragen, die sich mancher von Ihnen vielleicht stellt. Der eine oder andere Sachverhalt erscheint den Berichterstattern zu kompliziert, um ihn in wenigen Zeilen im Sportteil vermitteln zu können. In anderen Fällen werden beharrlich Klischees bedient, weil die Annahme vorherrscht, die Leserschaft würde sie zur Bestätigung eigener Ansichten einfordern. Der Unterhaltungsfaktor steht dabei im Vordergrund. Kontroversen werden zu selten entlang von inhaltlichen Unterschieden und vergleichend dargestellt, sondern auf Personen – A gegen B – reduziert. Dadurch geht etwas verloren. Leser können sich nur schwer ein eigenes Urteil bilden und werden auf mediale Zerrbilder zurückgeworfen. Die Konsequenz: Sympathie und Antipathie ersetzen Argumente.

Wir wollen deshalb an dieser Stelle einige Aspekte unseres Denkens und Handelns seit dem Juni 2017 erklären. In den vergangenen 20 Monaten ist viel Positives geschehen. Viele Menschen in und um den Klub haben dazu beigetragen. Ihr leidenschaftliches Engagement hat ein neues Kapitel in die Geschichte unseres Vereins aufgeschlagen.

Es ist kein Zufall, dass wir dieses Thema voranstellen. Wir Löwen gelten als traditionell zerstritten. Es heißt, wir würden uns mit Wonne regelmäßig gegenseitig zerfleischen. Das mag sein. Schauen wir aber auf andere Klubs, nach Hannover, Hamburg, Berlin, Bochum oder Kaiserslautern, um nur einige Beispiele zu nennen, stellen wir fest: exklusiv, wie mancher glaubt, ist der Streit in Giesing nicht. Vor allem aber ist er gar nicht so groß, wie es scheint. Es gilt nämlich zu unterscheiden zwischen Mitgliedern und Fans. Was die Mitglieder unseres Vereins anbelangt, sind Entscheidungen in den Vereinsversammlungen der Jahre 2017 und 2018 unzweideutig und mit klaren Mehrheiten gefallen. Daran gibt es nichts zu rütteln.

Einige Anhänger werden mit dem Platzen der Illusion von der baldigen Teilnahme an der Champions League bis heute emotional nicht fertig. Ihnen wurde große Ziele versprochen und sie fühlen sich um ihr Glück betrogen. Ihr Anspruch und die Wirklichkeit klaffen auseinander. Diese Menschen suchen Schuldige für ihren empfundenen Verlust und glauben sie in einer vermeintlichen Verschwörung von Fußballromantikern gefunden zu haben, die angeblich sportlichen Erfolg beim TSV 1860 München verhindern. Auf der anderen Seite gibt es eine kleine Gruppe von Fans, die noch dem traditionellen Vereinsfußball anhängen. Der ist aber beim TSV 1860 schon seit der Ausgliederung 2002 nicht mehr existent. Beides sind Randpositionen, für die wir ein gewisses Verständnis aufbringen, sie können aber nicht Grundlage unseres Handelns im Präsidium sein.

Die überwiegende Mehrheit der Fans und vor allem unserer Mitglieder hat weder mit der einen noch mit der anderen Position viel am Hut. Sie lieben den TSV 1860 München – egal in welcher Liga. Sie wollen immer den bestmöglichen sportlichen Erfolg – aber nicht um jeden Preis. Das ist ein Pragmatismus, dem wir uns als Präsidium stark verpflichtet fühlen. Auf die vor allem von Medienvertretern gern gestellte Frage, wie man die beiden Lager näher zusammenbringen könne, gibt es nur eine ehrliche Antwort: Gar nicht, weil Randpositionen von ihrem Wesen her nun mal schlecht vereinbar sind. Wir konzentrieren uns auf die große Mitte und sobald der Ball im Stadion rollt, sind ohnehin alle Löwen.

Was wir uns für den Verein hingegen wünschen und woran wir alle gemeinsam arbeiten müssen, ist eine andere Kultur der Auseinandersetzung. Wir haben uns als Präsidium keinem Meinungsaustausch verschlossen, wenn er von Sachargumenten getragen war. Die Mehrheit unserer Mitglieder weiß mittlerweile, dass es in der schwierigen Situation der Profi-Fußballtochter keine einfachen Antworten gibt. Um die besten Lösungen darf gerungen, über offene Fragen sollen Debatten geführt werden. Man kann das auch Streiten nennen. Demagogische Parolen und Provokationen zum Eigennutz dürfen jedoch nicht Teil dieser Diskussion sein, denn sie wirken zerstörerisch.

Wir sind als Präsidium dem Verein und den Mitgliedern gegenüber verpflichtet. Das ist unser Auftrag. Eine andere Rolle können wir nicht einnehmen. Wir treten im Präsidium, wenn es um die Belange der Tochtergesellschaft geht, als Gesellschafter keine Entscheidungen aus Lust und Laune heraus. Seit dem Zwangsabstieg lassen wir uns eng wirtschaftlich und juristisch von Sachverständigen beraten. Das Unternehmen muss und wird sich restrukturieren. Die erforderlichen Schritte dafür sind eingeleitet. Daran führt kein Weg vorbei. Es gibt Mitgliederbeschlüsse aus den Jahren 2017 und 2018, die unsere Haltung stützen. Ins Tagesgeschäft der Tochtergesellschaft mischen wir uns nicht ein. Das ist allein die Sache der Geschäftsführung.

Die Nachwirkungen der Politik kreditfinanzierter Risikoinvestitionen – insbesondere aus der Zweitliga-Abstiegssaison 2016/2017 – belasten das Unternehmen bekanntermaßen stark. Weitere Kreditaufnahmen bei unserem Mitgesellschafter können kein sinnvolles Finanzierungsinstrument für die TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA mehr sein. Die Gesellschaft darf die Kosten ihres Betriebs nicht weiter auf die Zukunft verschieben; das Wirtschaften auf Pump frisst den Klub sonst auf. Das schließt Fremdmittel nicht für alle Zeiten aus. Unter bestimmten Bedingungen kann Fremdkapital dazu beitragen, unternehmerische Ziele auf kürzerem Weg zu erreichen, aber auch das ist irgendwann verzinst zurückzubezahlen. Wer glaubt, es wäre egal, wie viel Schulden das Unternehmen hat, folgt einem vergifteten Traum.

Um die Profi-Fußballgesellschaft zu entlasten und die dort vorhandenen Mittel auf die sportliche Wettbewerbsfähigkeit der ersten Mannschaft konzentrieren zu können, haben wir als Verein der TSV München von 1860 GmbH & Co. KG angeboten, das Nachwuchsleistungszentrum einschließlich der U19- und U21- Mannschaft künftig wieder unter dem Dach des e.V. zu führen und die Finanzierung dafür sicher zu stellen. Möchte unser Mitgesellschafter das Saisonbudget und die Wettbewerbsfähigkeit der ersten Mannschaft erhöhen, ist das in Form eines Sponsorings jederzeit möglich. Wir begrüßen ein entsprechendes Engagement ausdrücklich.

Einige Kritiker behaupten gern, wir hätten als Präsidium etwas gegen unseren Mitgesellschafter Hasan Ismaik. Das ist definitiv nicht der Fall. Wir haben etwas gegen eine seit mindestens eineinhalb Jahrzehnten in der ausgegliederten Profi-Fußballgesellschaft etablierte Form des Wirtschaftens, die den Klub immer wieder in schwere Zwangslagen geführt und in Abhängigkeiten verstrickt hat. Aus dieser Situation muss sich der TSV 1860 München befreien. Das geht nicht ohne Schmerzen, aber die Korrektur ist aus unserer Sicht zwingend erforderlich. Wir haben diesen Prozess angestoßen und lassen in der Frage auch nicht mehr locker.

Es lohnt sich, den Blick in die Vergangenheit zu richten, um die ungebrochene Sehnsucht nach vergangener Größe, zu verstehen. Der TSV 1860 München ist Gründungsmitglied der Bundesliga im Jahr 1963. Aus dieser Zeit stammen auch die größten sportlichen Vereinserfolge im Fußball: der Pokalsieg 1964, die Endspielteilnahme im Europacup 1965, die Deutsche Meisterschaft 1966, die Vize-Meisterschaft 1967. Seit Gründung der Bundesliga sind 56 Jahre vergangen, von denen der TSV 1860 München in Summe lediglich 18 Jahre in der Ersten Liga verbracht hat. 38 Jahre lang – die meiste Zeit also – spielten die Löwen hingegen in der Zweiten, Dritten oder gar in der Vierten Liga. Das ist die nackte Realität. Trotzdem, und das ist ein bundesweit einmaliges Phänomen, hat der Verein bis heute nichts von seiner Strahlkraft eingebüßt und zählt im Jahr 2019 mehr als 23.000 Mitglieder. Kein anderer Verein in der Dritten Liga kann auch nur annähernd mit dieser Zahl mithalten. Es muss also definitiv etwas anderes sein, als der unmittelbare sportliche Erfolg, das viele Menschen an den TSV 1860 München bindet.

Es gibt nicht viele Vereine in Deutschland mit einer derartigen Basis. Unser Geschäftsführer Michael Scharold hat in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärt: „Sechzig ist einer der wenigen Klubs in Deutschland, die eine potentielle Wirtschaftskraft haben, die es ermöglicht, aus eigenen Mitteln in den Bundesliga-Fußball zurückzukehren.“ Das glauben wir auch.