VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (MIS)

Michael Scharold (38) hat nicht unbedingt einen angenehmen Job. Sein Gehalt als 1860-Geschäftsführer darf auch irgendwie als Schmerzensgeld angesehen werden: Er sitzt zwischen zwei schwierigen Gesellschaftern - in der “Süddeutschen Zeitung” zeigt der Bad Endorfer in einem starken wie lesenswerten Interview endlich einmal Profil und spricht dabei über:

seine Bilanz: “Ich glaube, dass wir auf ein großartiges Jahr für Sechzig zurückblicken können. Und ich persönlich auf ein für mich wahnsinnig intensives, aber auch großartiges Jahr. Wir haben etwas geschafft, was uns wohl keiner sofort zugetraut hätte: Den sportlichen Wiederaufstieg. Und wir haben auch in der Drittliga-Hinrunde einige grandiose Spiele gesehen. Jetzt haben wir alle ein paar Tage lang mehr oder weniger durchgeschnauft, aber natürlich lässt einen Sechzig nie Ruhe.”

das operative Geschäft: “2018 hatten wir den Fokus in den Profifußball zurückzukehren und dort zu bleiben. Gerade im Sommer mit der Entscheidung, zusätzliche Gesellschaftermittel in die Wettbewerbsfähigkeit zu stecken. Ansonsten ging es wirklich nur darum, das operartive Geschäft am Laufen zu halten. Wir hatten das Personal etwa um die Hälfte reduziert, aber die Aufgaben sind immer noch die gleichen. Da kann keine große Entwicklung vorangetrieben werden, es ging rein ums operative Überleben. Das war in der Situation vertretbar, aber dauerhaft ist das kein tragbarer Zustand.”

1860 ist nachwievor ein krankes Unternehmen

die finanzielle Einsicht: “Dass wir das seit Langem vorherrschende strukturelle Defizit angehen. 1860 ist nachwievor ein krankes Unternehmen. Das muss man auch mal feststellen. Das ist auch ganz klar der Grund, warum Günther Gorenzel heute noch auf sein Budget wartet. Weil wir immer noch über die Frage reden: Wollen wir dieses Budget aus den vorhandenen Mitteln generieren? Oder wollen wir - mit dem Ziel, irgendwann den Status Quo aus den operativen Einnahmen decken zu können - den Zeitraum, bis wir das schaffen, mit Gesellschaftermitteln überbrücken.”

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#Abflug #valencia #trainingslager #tsv1860

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seine vier Zukunftsmodelle an die beiden Gesellschafter: “Ich habe bis jetzt noch keine Antwort. Ich habe beide Gesellschaftern im Dezember schriftlich vier verschiedene Wege - mit oder ohne Gesellschaftermittel - aufgezeigt, wie wir mittelfristig zu dem Ziel kommen, ein ausgeglichenes und wettbewerbsfähiges Budget aufstellen zu können. Und ich habe beide darum gebeten, mir ihre Präferenz für eines der vier Modelle mitzuteilen. Das Ziel als solches ist ja allen gemein.

Wenn man sofort Kosten senken muss, muss man viel Liebgewonnenes aufgeben

den drohenden Sparkurs: “Sparkurs ist aus meiner Sicht der falsche Ausdruck. Sparen suggeriert ja, wir hätten Mittel zur Verfügung, die wir einsetzen könnten, aber für die Zukunft zurücklegen. Das wäre nicht der Fall. Es wäre ein Konsolidierungskurs, der notwendig wäre, um die Kosten durch die aktuellen Einnahmen zu decken. Wenn man sofort Kosten senken muss, muss man viel Liebgewonnenes aufgeben. Das würde ganz erhebliche und schmerzhafte Einschnitte im Nachwuchsbereich bedeuten, und auch das Budget für den Profifußball würde sinken. Alles wird sehr weh tun, das muss uns allen klar sein.”

die Suche nach Sponsoren: “Sechzig ist eine von wenigen Vereinen in Deutschland, die eine potenzielle Wirtschaftskraft haben, die es ermöglicht, aus eigenen Mitteln in den Bundesligafußball zurückzukehren. Ich glaube, dass das eine grandiose Situation ist, auf die alle Beteiligten erst einmal mit Demut blicken müssen - auf diesen Verein und die Aufmerksamkeit, die er genießt. Diese Kraft muss man aber auf die Straße bringen. Dazu sollte man vor allem nicht das Engagement wichtiger Premiumpartner, wie zuletzt Hacker-Pschorr oder MAN konterkarieren, indem man sich im indirekten Umfeld auf unglückliche Weise mit Konkurrenten von ihnen zeigt (Giesinger Bräu, Iveco, d. Red.).”