VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (FOTO)

Christl Estermann ist neben Daniel Bierofka das letzte Relikt aus einer erfolgreichen Löwen-Zeit an der Grünwalder Straße. Zum Jahresende verlässt die 75-Jährige nun ihr Wohnzimmer, das Löwen-Stüberl. Das db24-Interview mit der Kult-Löwin:

dieblaue24: Frau Estermann, nach 26 Jahren hören Sie auf: Warum ausgerechnet jetzt?

CHRISTL ESTERMANN: Es fällt mir sehr schwer und tut weh aufzuhören, aber: Ich kann nicht mehr! Ich kann es finanziell nicht mehr stemmen. Die Zeit ist da, zu gehen. Das Geschäft hat in den letzten Jahren stark nachgelassen, weil es auch sportlich nicht mehr so funktioniert hat. Andererseits muss ich auch anerkennen: Ich bin keine 60 mehr, sondern 75. Mir fehlt nix, ich brauche noch keinen Hacklstecka. Aber irgendwann ist halt auch Feierabend. Ich will noch ein paar schöne Jahre mit meiner Familie genießen.

Eigentlich wollten Sie erst aufhören, wenn 1860 wieder in der Bundesliga ist…

Ja, das war mein Ziel. Aber leider wird nichts mehr daraus. Der Verein mit dieser Tradition hat in der Dritten Liga eigentlich gar nichts zu suchen. Das wissen nur die jungen Leute nicht mehr: 1860 hat ganz große Zeiten erlebt. Deswegen hätte ich gerne in einer anderen Spielklasse aufgehört, aber leider ist das Leben und der Sport kein Wunschkonzert.

Es heißt, Investor Hasan Ismaik hat das Löwenstüberl die letzten zwei Jahre finanziell aufrecht erhalten…

Ja, das stimmt! Ich bin ihm dafür sehr dankbar. Ich verstehe die Leute nicht, die immer gegen ihn schießen. Er hat ein Herz für 1860.

Welche Zeit haben Sie bei 1860 besonders genossen?

Natürlich die knapp zehn Jahre mit Werner Lorant und Karl-Heinz Wildmoser. Eigentlich hatte damals alles gepasst. Lorant war täglich bei mir und hat seinen “Expresso” getrunken. Manchmal waren es auch ein paar mehr (lacht). Auch Wildmoser schaute oft vorbei. Er sicherte mir damals sogar einen Lebensvertrag für das Stüberl zu. Von den Spielern habe ich besonders Manni Schwabl und Thomas Miller gern gehabt. Die beiden waren sehr zugänglich und vertraulich, das waren richtige Löwen. Wir waren eine große Familie. Ich freue mich immer wieder, wenn ich alte Gesichter sehe. Zu den Spielern von heute hat man gar keinen Zugang mehr…

Ein Problem hatten Sie vor allem mit Ex-Bundesliga-Trainer Falko Götz: Erzählen Sie mal, was da genau los war?

Als er 2004 entlassen wurde, hatte er bei mir noch eine Zeche von 30 Euro offen. Das habe ich damals den Journalisten gesagt. Daraufhin hat er mir die 30 Euro geschickt und Taschentücher, um die Tränen des Abstiegs zu trocknen. Das war nicht lustig, weil der Abstieg uns alle tief getroffen hat.

Wie sehen Sie 1860 heute?

Wir machen eine schwere Zeit durch. Natürlich war der Aufstieg im Sommer schön, aber die Dritte Liga ist kein Honigschlecken. Aber ich gehe fest davon aus, dass Daniel Bierofka das Klassenziel erreicht. Der Verein muss sich halt entscheiden, was er will.