VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)

Günther Gorenzel steht für das neue Sechzig. Der 46-jährige Österreicher hat gemeinsam mit Daniel Bierofka eine neue Fußball-Kultur in den Verein gebracht. Der erste Teil des großen exklusiven db24-Interviews:

Herr Gorenzel, die erste richtige Transferperiode für Sie ist nun vorbei: Wie fällt Ihr Fazit aus?

GÜNTHER GORENZEL: Ich fühle mich absolut bestätigt, von dem, was ich bislang gesehen habe - sowohl was die Gruppe anbelangt als auch von den taktischen und spielerischen Fähigkeiten jedes einzelnen Neuzugangs. Alle sind auf dem Weg, das zu erfüllen, was wir von ihnen erwartet haben. Wir sind jetzt in der Dritten Liga - diesen Konkurrenzkampf haben wir gebraucht. Jeder der Jungs wird im Laufe der Saison seine Rolle finden.

Der TSV 1860 hat bei seinen Einkäufen vor allem auf bodenständige Typen aus Bayern gesetzt: Absicht?

Ganz klar: Ich sehe das so, als wenn du ein Hochhaus baust. Unser Fundament ist die Identität und Geschichte eines Klubs. Darauf musst du alles andere aufbauen. Es macht keinen Sinn, den dritten oder vierten Stock anders zu gestalten als das Fundament. Bodenständigkeit und Lokalkolorit ist die Basis für alle Entscheidungen - nur wenn die Basis nicht machbar ist, dann greifen wir auf andere Märkte zurück. Wir haben Spieler aus Österreich, vom Balkan, vom Ostblock, aus Frankreich, Spanien oder Norwegen angeschaut, aber wir waren überzeugt von unserem neuen Weg.

Wieviele Spieler wurden Ihnen in den letzten Wochen eigentlich angeboten?

Uns wurden hunderte Spieler angeboten. Aber neun von zehn Spielern sortieren wir gleich wieder aus, weil sie in den Grundraster, den wir angelegt haben, gar nicht reinpassen. Wir haben uns umfangreich mit knapp 180 Spielern beschäftigt. Unser Chefscout Jürgen Jung ist hier federführend, der alles abarbeitet. Wenn wir unseren Kader ansehen, haben wir die unterschiedlichsten Profile, auch auf gewissen Positionsgruppen - das haben wir ganz bewusst so gewählt.

Auffällig ist bei 1860 auch die Homogenität zwischen Sportchef Gorenzel und Trainer Bierofka: Gesucht und gefunden?

Ich glaube, dass sich eine Gruppe von Fußballverrückten an der Grünwalder Straße getroffen hat, die zusammenpasst wie die Faust aufs Auge. Ich habe in verschiedenen Funktionen mit Trainern und Funktionären aus der ganzen Welt arbeiten dürfen - und da bekommst du in 20 Jahren ein gewisses Gefühl. Entscheidend sind nicht nur die Hard Facts, sondern auch die Charaktere. Bei uns passt das zusammen von den unterschiedlichen Persönlichkeiten. Ich glaube, dass sich Daniel und ich gut ergänzen. Daniel ist ehemaliger Nationalspieler, eine Vereinslegende bei 1860 - und ich bin der, der die Dinge analytisch studiert hat.

Sie waren in der Vergangenheit Co-Trainer, Trainer, Jugendchef-Trainer oder Stützpunktleiter in Kärnten - haben Sie bei 1860 im dritten Anlauf nun Ihre Rolle endlich gefunden?

Ich sehe das unterschiedlich: Ich gehe von meiner Arbeitsauffassung immer gleich heran, egal ob als Co-Trainer, Cheftrainer und Sportlicher Leiter. Für mich ist wichtig, dass ich mitgestalten kann und das Gefühl habe, dass Energie und Erfahrung, die ich reinstecke, angenommen und umgesetzt wird. Wie der Titel dann heißt, ist mir egal: Das steht nur auf der Visitenkarte und interessiert mich wenig.

Können Sie sich bei Sechzig entfalten?

Es ist ja kein Geheimnis, dass 1860 kein einfacher Verein ist, um Dinge zu gestalten. Aber ich habe schon das Gefühl, dass wir die letzten Wochen und Monate einiges erreicht haben und es geschafft haben, dass wieder in die gleiche Richtung gedacht wird. Und nur, wenn es uns gelingt, alle Kräfte zu bündeln, wird der Vereine eine gute, sehr gute Zukunft haben. Das Kapital, dass der Verein im Medienstandort München hat, ist groß. München ist eine reiche Stadt. Wir haben es leichter als Kaiserslautern in einer ländlichen Region, Firmen für uns zu gewinnen. Und dann hast du natürlich auch noch die Tradition, die ein Faustpfand ist und die einzigartige Fankultur. Es gibt viele Bundesliga-Klubs, die uns um unsere Anhängerschaft beneiden. Wenn wir es jetzt schaffen, dass beide Gesellschafter in die gleiche Richtung denken, dann kann 1860 niemand aufhalten - davon bin ich absolut überzeugt. Ich kann den Gesellschaftern und der Geschäftsführung nur ans Herz legen, diese Fußballverrückten bei 1860 für längere Zeit an den Verein zu binden. Das ist ein großes Kapital.

Wie spüren Sie die unterschiedlichen Auffassungen der beiden Gesellschafter?

Die Basis ist, dass sich die beiden Eigentümer verstehen und gemeinsam in eine Richtung denken. Die letzten Wochen und Monate hatte man schon das Gefühl, dass sie nicht immer einer Meinung sind. Dennoch haben sie sich am Ende des Tages zusammengerauft und die notwendigen Entscheidungen getroffen. Ich verstehe, dass gewisse Entscheidungen länger dauern, auf der anderen Seite stehe ich mit Daniel Bierofka an der Front - und wir wissen, dass wir in der Schnelligkeit des Fußball-Geschäfts nur mithalten können, wenn die Inhalte nicht zu kurz kommen.

Was wäre passiert, wenn Investor Hasan Ismaik nicht zwei Millionen Euro freigegeben hätte?

Wenn Karl-Christian Bay, Saki Stimoniaris und Michael Scharold nicht so konstruktiv und zeitnah zusammengearbeitet hätten, wäre diese Mannschaft in dieser Konstellation mit Sicherheit nicht machbar gewesen. Wir hätten schon eine Mannschaft zusammenbekommen, aber für mich ist entscheidend, dass Substanz und Erwartungshaltung im Einklang stehen. Die Substanz können Daniel und ich einschätzen. Wir haben das Gespür dafür, was realistisch machbar ist. Für uns war es wichtig, dass wir von der Substanz nachlegen. Die Erwartungshaltung der Fans ist, dass wir eine gute Rolle spielen - und das war nur möglich über die Lösung, die beide Gesellschafter getroffen haben.

Sie haben Hasan Ismaik kennengelernt: Was ist er für ein Mensch?

Ich habe den Eindruck gewonnen, dass er mit dem Herzen an 1860 hängt. Er verfolgt alles, er ist sehr, sehr gut informiert. Er hat Vertrauen in gewisse Personen. Das ist wichtig für uns. Ich bin aber auch froh, dass sich der Präsident (Robert Reisinger, d. Red.) mit mir im Trainingslager in Kössen das erste Mal seit sieben Monaten ausgetauscht hat…

Nach sieben Monaten?

Ja, aber ich finde es sehr, sehr gut, dass es dieses Treffen jetzt gegeben hat und man sich aus erster Hand austauscht. Unser erster Ansprechpartner in der täglichen Arbeit ist die Geschäftsführung, aber ich finde es sehr produktiv, wenn sich beide Gesellschafter in regelmäßigen Abständen das Alltagsgeschäft anschauen würden und auch mit uns kommunizieren, um die Meinung von Daniel und mir einzufangen. Meine Meinung: Wenn du über Dritte kommuniziert, bleiben Dinge auf der Strecke.

Den zweiten Teil des Gorenzel-Interviews lesen Sie am Freitag.