VON OLIVER GRISS

dieblaue24: Herr Kellermann, Sie sind einer der 32 Kandidaten für den neuen 1860-Verwaltungsrat: Vor der Mitgliederversammlung gibt es nun einen Paukenschlag bei 1860: Sport-Geschäftsführer Gerhard Poschner wurde “entmachtet”, ist ab sofort “nur” noch Sportdirektor - und Noor Basha steigt zum Geschäftsführer auf. Was haben Sie für eine Meinung dazu? 

MARKUS KELLERMANN (1860-Verwaltungsrat-Kandidat): Ich kann diese Entscheidung nicht wirklich nachvollziehen. Aber ich habe wie die meisten Fans leider auch keinen transparenten Einblick, was genau in Abu Dhabi diese Woche mit Hasan Ismaik besprochen wurde. Wichtig für den Profibereich und die treuen Fans ist es jetzt natürlich, dass endlich Taten folgen und baldmöglichst
auch einmal Neuverpflichtungen präsentiert werden, denn diese sind für den sportlichen Erfolg sehr wichtig. Des Weiteren bin ich gespannt welche zukünftige Strategie uns Noor Basha und Gerhard Poschner auf der Mitgliederversammlung beim Bericht der KgaA präsentieren werden und wie glaubhaft und zielführend das sein wird.

Haben Sie sich gut überlegt, sich für dieses ehrenvolle Amt zur Verfügung zu stellen?

Natürlich habe ich mir das gut überlegt. Wir haben jahrelang dafür gekämpft, dass das Delegiertensystem abgeschafft wird, hin zu einer basisdemokratischen Mitgliederwahl.  Ich war in den Jahren 2000-2003 sehr aktiv in der sogenannten “Opposition”. Wir haben damals mit dem “12. Mann” für Aufklärung gekämpft und dabei monatelang Flyer verteilt und die Mitglieder darüber informiert, dass ein gemeinsames Stadion mit dem FCB keine gute Entscheidung für unseren Verein ist. Ich möchte den Kampf daher nach wie vor nicht aufgeben. Daher möchte ich als Fan Verantwortung übernehmen und habe mich deswegen für den Verwaltungsrat als einziger Kandidat selbst beworben. Zudem wird es endlich auch einmal Zeit, dass auch bei uns einmal ein direkter Fanvertreter aus der Fankurve im Kontrollgremium sitzt.

Warum sind genau Sie der Richtige für diese Aufgabe - was wollen Sie verändern bzw. besser machen?

Ob ich der Richtige bin, das müssen die Mitglieder am Sonntag entscheiden. Ich werde jetzt sicherlich kein populistischen Versprechungen machen. Es wurden in der Vergangenheit viele wichtige Entscheidungen über den Köpfen der Mitglieder und Fans vom Verwaltungsrat (bzw. damals Aufsichtsrat) abgenickt, ohne diese kritisch zu hinterfragen oder über die Konsequenzen nachzudenken (Verkauf Stadionanteile, Mietvertrag AA bis 2025, Verkauf von 60% der KgaA-Anteile….), Natürlich kann man die Vergangenheit nicht mehr ändern, aber umso wichtiger ist es, dass unsere Mitglieder am Sonntag einen Verwaltungsrat mit neuen unverbrauchten Köpfen wählt, der die Zukunft positiver gestalten kann und hierzu gehört vor allem die Kontrollfunktion und dass Dinge auch einmal kritisch hinterfragt und diskutiert werden, bevor diese dann final unterschrieben werden. Allerdings hat der Verwaltungsrat auch eine wichtige Verantwortung gegenüber allen Mitgliedern und Fans des Gesamtvereins. Dementsprechend sind auch Themen wie der Hallenbau für den Breitensport, die Selbstbestimmung des e.V., die finanzielle Unabhängigkeit des e.V. und v.a. die Jugendförderung sehr wichtig Themen, die man endlich aktiv angehen muss.

Wie sehen Sie eigentlich Investor Hasan Ismaik?

Natürlich hat uns Hasan 2011 aus der Not heraus geholfen, die Insolvenz abzuwenden, dafür ist ihm sicherlich auch jeder Löwenfan dankbar. Es ist glaube ich für jeden Außenstehenden auch schwer, die genauen Hintergründe der Zusammenarbeit zwischen den beiden Gesellschaftern HAM Ltd. (Ismaik) und unserem Präsidium (e.V.) genau zu bewerten. Die öffentliche Darstellung ist sehr verworren und durch die unterschiedlichen Interviews blickt keiner mehr so richtig durch. Aber es ist nun mal Tatsache, dass die KGaA seit 2011 von einem weiteren Gesellschafter unterstützt wird. Das heißt, der Profibereich gehört zwei Gesellschaftern, zum einen unserem Verein, dem e.V. mit seinen über 19.500 Mitgliedern und zum anderen Hasan Ismaik. In so einer Konstellation ist es wichtig, dass jeder Gesellschafter Rechte und vor allem auch Pflichten hat, die er erfüllen muss. Es darf nicht passieren, dass Entscheidungen hinausgezögert und auf dem Rücken der treuen Fans, die immerhin noch das wichtigste Kapital des Vereins sind, ausgetragen werden.

Braucht die Marke 1860 Funktionäre wie Felix Magath, um wieder nach oben zu kommen? 

Die vergangene Saison war mit Sicherheit für alle Fans sehr anstrengend und enttäuschend. Das sportliche Ziel wurde definitiv verfehlt. Schlimm ist vor allem, dass den Fans Versprechungen mit einen attraktiven Offensivfußball gemacht und Hoffnungen geschürt wurden, die man überhaupt nicht einhalten konnte. Daher benötigen wir dringend eine neue sportliche Strategie. Bei Gerhard Poschner sehe ich diese erfolgsversprechende Strategie leider nicht. Natürlich ist die Zeit bis zum Saisonstart nur noch sehr kurz, aber wir brauchen uns alle nichts vormachen, wir werden auch in der kommenden Saison gegen den Abstieg spielen und müssen versuchen mit allen Mitteln den Klassenerhalt zu schaffen. Das Ziel sollte es daher sein in der Saison 2016/2017 als Saisonziel das Mittelfeld anzupeilen und langfristig Kontinuität zu schaffen. Und mit Kontinuität meine ich v.a. sportliche und wirtschaftliche Kontinuität, egal wie der Sportdirekter oder die verantwortlichen Personen heißen.

Sie haben bereits im Vorfeld klar Stellung gegen die Allianz Arena bezogen: Warum?

Die Wurzel allen Übels liegt für mich überhaupt in der Allianz Arena. Durch die horrenden jährlichen Kosten standen wir in den vergangenen Jahren mehrmals kurz vor der Insolvenz, bzw. dem Lizenzentzug. Mehrmals mussten Notverkäufe wichtiger Spieler getätigt werden, wie z.B. 2009 mit Fabian Johnson und Sven Bender oder auch später mit vielen weiteren guten Spielern aus dem eigenen Nachwuchs wie jetzt auch wieder mit Ju Weigl. Daher müssen wir uns endlich aus diesem Teufelskreis befreien und die Allianz Arena spätestens zur Saison 2016/2017 verlassen. Das Ziel muss dabei ein eigenes Stadion sein, welches dem modernen Standard entspricht, und mit dem sich auch alle unsere Fans zu 100% identifizieren können und welches auch für neue Sponsoren und Businesspartner interessant ist. Aber so eine eigene Löwenarena lässt sich nicht von heute auf morgen finanzieren und planen, daher bedarf es bis zur Fertigstellung einer Zwischenlösung. Diese könnte das Grünwalder Stadion darstellen. Hierzu gibt es bereits positive Signale der Stadt die Zuschauerkapazitäten auf 18.500 zu erhöhen. Daher darf man so ein zielführendes und wichtiges Thema nicht ewig hinauszögern. Die Fans brauchen Transparenz und Aufklärung. Deswegen benötigen wir auch einen zeitlichen Plan mit entsprechenden Deadlines, in dem verschiedene Umsetzungsziele definiert werden und dann auch proaktiv angegangen und umgesetzt werden. Doch die aktuellen Spekulationen helfen uns hierzu überhaupt nicht weiter und verunsichern und nerven nur alle Beteiligten. Daher hoffe ich, dass die Stadionkommission mittlerweile schon konkrete Pläne hat und uns diese auf der Mitgliederversammlung dann auch schon präsentiert.

Die Marke 1860 ist in den letzten Jahren schwer beschädigt worden: Wie würden Sie sich detailliert einbringen, damit der Löwe einen Schritt nach vorne macht? 

Ich möchte bei 1860 eigentlich ungern von einer “Marke” sprechen, sondern eher von einem Traditionsverein. Und “Münchens große Liebe” hat nach wie vor extrem viel Fanpotential. Deswegen ist es jetzt auch an der Zeit, dass neue Köpfe mit neuen Ideen in den Verwaltungsrat gewählt werden. Wir brauchen unverbrauchte Fans im Kontrollgremium, denen unser Verein wirklich am Herzen liegt. Auf der Mitgliederversammlung haben deswegen die Mitglieder die Möglichkeit in der Einzelwahl ihre Vertreter für den Verwaltungsrat zu wählen. Hierzu sollte sich jedes Mitglied vorab in Ruhe die Steckbriefe aller Kandidaten durchlesen und dann seine persönliche Entscheidung treffen.

Der 36-jährige Markus Kellermann wohnt in Pfaffenhofen. Seit 1997 ist der Web-Unternehmer Mitglied beim TSV 1860. Sein Lieblingsspieler ist Daniel Adlung.