VON OLIVER GRISS

Lorant musste am 18. Oktober 2001 nach einem 1:5 gegen den FC Bayern gehen - die Löwen haben sich davon nicht mehr erholt

Wissen Sie noch, was heute genau vor zehn Jahren war? Nein? Ich helfe Ihnen gerne: Werner Lorant wurde entlassen, am 18. Oktober 2001. Ein historisches Datum in der Vereinsgeschichte, vor allem, weil mit dem Rauswurf der Trainer-Legende der schleichende Tod des einst glorreichen TSV 1860 begann…
Nach einem 1:5 im Derby gegen den FC Bayern musste Lorant gehen - und der damalige Löwen-Dompteur scheiterte nicht an den sportlichen Leistungen (1860 war damals immerhin Bundesliga-Zehnter), sondern vielmehr am Einfluss der Politiker im Aufsichtsrat. Den Herren war der ehemalige Anstreicher Lorant suspekt und nicht fein genug, er passte nicht in ihr Profil - und so ließ sich Hep Monatzeder zu einem folgenschweren Interview in der “AZ” hinreißen, als der Grünen-Politiker Lorant quasi zum freiwilligen Rücktritt aufforderte: “Werner, Deine Zeit ist abgelaufen. Es war gut, es war schön, aber jetzt sollten wir uns auf anständige Weise trennen.” Anständig waren Monatzeders Forderungen freilich nicht…
Lorant war zum Abschuss freigeben - nach neuneinhalb Jahren grandioser Arbeit. Und der Durchmarsch von der Bayernliga bis in die Champions League-Qualifikation war auf einen Schlag vergessen, die beiden Derby-Siege in der Saison 1999/2000, die ganz eng mit dem Namen Lorant verbunden waren, sowieso.
Wildmoser konnte dem Druck der Aufsichtsräte nicht widerstehen und feuerte Lorant am 18. Oktober 2001, einem Donnerstag. Bestimmt hatte der mittlerweile verstorbene Wildmoser das kurz danach insgeheim schon wieder bereut (Fehler konnte der Groß-Gastronom ja nie öffentlich eingestehen), denn 1860 hat sich von der Lorant-Trennung nie mehr erholt. Auch ich, als damaliger AZ-Reporter für den TSV 1860, sage heute: Bei einigen Kommentaren der Aufsichtsräte hätte man als Journalist (auch ich) besser weghören sollen, um die Löwen zu schützen. Es geht hier um Sport, um Leidenschaft und nicht darum, wer sich am besten benimmt und kleidet…
Denn: Keiner von Lorants vielen Nachfolger hat die Löwen besser verstanden als er. Lorant war ehrgeizig, zielstrebig und direkt - und manchmal natürlich auch ausfallend, aber er war der Prototyp eines Löwen-Trainers. Er hat die Showbühne Bundesliga perfekt verstanden. Heute ist nicht nur Lorant weg, sondern sind all die Politiker Vergangenheit, die sich im Vip-Bereich des Olympiastadions stets ein Kuchen-Wettessen geliefert hatten. Im Ehrengast-Bereich der Allianz Arena sind mittlerweile die Meister-Löwen die größte Attraktion - oder Investor Hasan Ismaik, wenn er bei seinem Leih-Bugati mal ins Pedal tritt…
Irgendwie schade, dass man die Zeit auch bei 1860 nicht mehr zurückdrehen kann. Heute wären die 1860-Edelfans aus der Politik sicher froh, wenn man gegen den FC Bayern in der Bundesliga spielen dürfte. Aber die Realität heißt inzwischen Paderborn und Zweitliga-Tristesse…