VON ALEX AUGUSTIN

Als langjähriger Löwen-Fan bin ich leidensfähig. In der Gesamtbetrachtung habe ich in den 17 Jahren, die ich jetzt schon mit Leib und Seele dabei bin, größtenteils Rückschläge erlebt: Abstieg 2004, verpasster Wiederaufstieg im Jahr darauf, seitdem ein langsamer, aber stetiger Niedergang. Immer habe ich Sechzig die Treue gehalten und bin dafür mit einigen tollen Momenten belohnt worden, wie mit der Last-Minute-Rettung gegen Kiel, die ich live in der Nordkurve erleben durfte. Das jahrelange sportliche Dahinsiechen des Vereins hat nicht dazu geführt, dass ich mich von den Löwen abwende, im Gegenteil: Jeder Rückschlag hat meine Leidenschaft noch gestärkt.

Im Moment allerdings stelle ich mir zum ersten Mal eine der grundlegendsten Fragen überhaupt: Kann ich mich mit dem Verein noch zu hundert Prozent identifizieren? Es ist nicht die anhaltende sportliche Krise, die mich diese Frage stellen lässt. Niederlagen sind wir Fans mittlerweile fast schon gewohnt, so traurig das klingen mag. Es sind die Geschehnisse abseits des Platzes, die mich an meiner sonst ungebrochenen Leidenschaft für Sechzig zweifeln lassen.

Die Internationalisierung des TSV hat längst begonnen. Das muss an sich ja nichts Schlechtes sein, das ist nunmal eine Begleiterscheinung des modernen Fußballs. Wer sich nicht wirtschaftlich und personell breit aufstellt, hat im vom Geld dominierten Geschäft keine Chance – Ausnahmen bestätigen die Regel. Dass Ismaik Sechzig als Unternehmen auf diesem umkämpften Markt besser positionieren will, ist völlig legitim und längst überfällig. Doch die Art und Weise wie diese Professionalisierung über die Bühne geht, bereitet mir Kopfzerbrechen. Werden gerade Sechzigs Tradition und Leidenschaft durch wirtschaftliches Kalkül und Streben nach dem maximal Erreichbaren ersetzt?

„Sind das noch meine Löwen?“, frage ich mich in letzter Zeit oft. Doch was genau sind denn eigentlich „meine Löwen“? Ein Club, der sowohl auf als auch neben dem Platz von einem Fettnäpfchen ins andere spaziert? Ein Verein, dem aber wegen seiner Tollpatschigkeit keiner so wirklich böse sein kann? Irgendwie schon. Soll das weiterhin so bleiben? Eigentlich nicht.

Doch wie geht man den Weg in die wirtschaftliche Professionalität, ohne seine ureigenen Werte zu verraten? Lassen sich Erfolg und Tradition heute überhaupt noch vereinbaren? Die Frage ist dabei, wie ein Verein mit seiner Tradition umgeht. Bei Sechzig besteht darin ein großes Problem: Man lebt zu sehr in der Vergangenheit, Veränderungen werden zunächst einmal mindestens kritisch beäugt, wenn nicht sogar kategorisch abgelehnt. Diese Einstellung ist mitverantwortlich für die Misere der vergangenen Jahre. Auch mir fällt es schwer, die momentanen Veränderungen im Verein zu akzeptieren. Irgendwie fühlen sie sich komisch an. Dass ich mich irgendwann teilweise oder gar ganz von Sechzig abwende, kann ich mir aber trotzdem nicht vorstellen. Es sind schwierige Zeiten für einen Löwen-Fan, noch schwierigere als sonst. Doch durch die müssen wir wohl durch – am besten alle gemeinsam.

Alex Augustin ist Gast-Kommentator bei dieblaue24. Der 22-Jährige volontiert zurzeit bei der Passauer Neuen Presse. Der Niederbayer aus Viechtach ist Löwe seit frühester Kindheit, hat die Leidenschaft von seinem Vater geerbt.