VON OLIVER GRISS

Der 30-jährige Andreas de Biasio, der an den Rollstuhl gefesselt ist, lebt und leidet für den Giesinger Traditionsklub: “Ich vermisse die Professionalität”

Der TSV 1860 steht für seine außergewöhnlichen Fans - ohne sie wäre der Klub nur die Hälfte wert. Einer, der die Löwen zwar nicht sehen kann, dafür sehr gut brüllen hört, ist im 1860-Trainingslager in Belek dabei: Andreas de Biasio (30), der blinde Löwe.
Und obwohl de Biasio mit diesem Handicap leben muss (er leidet auch unter Tetraspastik und sitzt deswegen im Rollstuhl), ist seine größte Leidenschaft der TSV 1860. Er diskutiert, schimpft - und freut sich über den TSV 1860. Und natürlich ist de Biasio mit Hilfe eines speziellen Erkennungssprogramms auch täglich auf dieblaue24, hinterlässt sogar regelmäßig Kommentare.
Dies alles wäre allerdings alles nicht möglich, würde sich sein Vater Eduard nicht so liebevoll und rührend um seinen pflegebedürftigen Sohn kümmern. Er weicht ihm nicht von der Seite und ist zudem auch sein privater Kommentator am Spielfeldrand. “Ich bilde mir durch die Aussagen meines Vaters und der Akustik im Stadion eine eigene Meinung”, verrät Andi, der seit der Aufstiegssaison 1993/1994 zu den Löwen geht: “Mein erstes Spiel war der 4:0-Sieg gegen Wolfsburg - seitdem verpassen wir kaum ein Heimspiel.” Sogar auswärts ist das de Biasio-Doppel oft dabei. “Ich war auch in Leeds oder Parma - das war eine bessere Zeit des TSV 1860”, sagt der 30-Jährige: “An Parma kann ich mich ganz besonders erinnern: Ich habe die Schule geschwänzt. Das war aber nicht schlimm. Es stand eine Mathe-Schulaufgabe auf dem Plan.” de Biasio lacht.
Doch in den letzten Jahren ist de Biasio (“Mein Lieblingsspieler ist Peter Nowak”) immer mehr zum Kritiker des TSV 1860 geworden. Der blinde Löwen-Fan aus Haidhausen hat ein feines Gespür für die Lage beim Zweitligisten. “Ich vermisse die Professionalität”, sagt er knallhart, “mich ärgert es, dass einfach nichts vorwärts geht. Seit Jahren wird nur gestritten statt erfolgreich gearbeitet.” Was de Biaso ganz besonders stinkt: “Ich verstehe den Verein nicht: Da hat man Identifikationsfiguren wie Thomas Häßler, Martin Max oder Paul Agostino - und keiner von denen wird in den Verein integriert. Aus 1860 werde ich nicht schlau…”