VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)

Über zehn Jahre hat der ehemalige Verwaltungsrat Christian Waggershauser zumindest nach außen hin jede Entscheidung beim TSV 1860 mitgetragen. Kurz: Auch der Betreiber der Muffathalle konnte die Löwen nicht in eine bessere Zukunft führen - 2011 war Münchens große Liebe sogar pleite! Dennoch sah sich Waggershauser jetzt dazu gezwungen, der “Süddeutschen Zeitung” ein pikantes Interview zu geben. Es ist eine Generalabrechnung mit Investor Hasan Ismaik und dem Fan-Dachverband ARGE. Waggershauser spricht über:

die Gründe seines Rücktritts: “Mir ist dieser Schritt nicht leichtgefallen: Ich bin seit 40 Jahren bei fast allen Heimspielen gewesen, egal in welcher Liga. Zehn Jahre habe ich versucht mitzuhelfen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, den andere vor meiner Zeit blindlings und mit Vollgas hineingefahren haben. Was in der letzten Woche passiert ist, hätte ich nie für möglich gehalten. Ich musste ein klares Zeichen setzen, dass ich damit nicht einverstanden bin und ich so nicht weiter arbeiten kann. Ich habe gesagt: Jetzt ist ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr weitergeht. Ich hatte im Frühjahr schon überlegt zurückzutreten. Als sich abgezeichnet hat, dass Markus Rejek gehen soll. Es war symptomatisch für die Spaltung: Der Verwaltungsrat stand wie eine Eins hinter ihm. Aber dann hat Hasan Ismaik am Ende doch den Daumen gesenkt, Präsidium und Arge-Führung wollten Rejek ja auch mehr oder weniger weghaben. Rejek ist der kompetenteste Geschäftsführer der letzten zehn Jahre gewesen.”

Man hat Hasan noch nie so in Aktion gesehen wie jetzt

die Rolle von Hasan Ismaik in den vergangenen Tagen: “Sie hat Transparenz geschaffen darüber, mit wem wir es zu tun haben. Sie hat gezeigt, wie Ismaik agiert und welches Selbstverständnis er von seiner Rolle hat. Ich möchte nicht wissen, wie Verhandlungen und Besprechungen abgelaufen sind, wenn ich mir nur diese 45 Minuten der Pressekonferenz ansehe. Man hat Hasan noch nie so in Aktion gesehen wie jetzt.”

die Spaltung im Verein: “Die Cosa Nostra (1860-Ultras, d. Red.) hat sich wegen Hasan Ismaik aus der Kurve zurückgezogen, die ARGE-Führung hat sich hingegen nach Abu Dhabi einladen lassen und ihn zum Ehrenmitglied ernannt. Es gibt im Verhältnis zu Ismaik eine Bandbreite von totaler Ablehnung bis zu nahezu bedingungsloser Unterstützung. Auch in den Gremien gibt es unterschiedliche Haltungen, wenn auch nicht so extrem wie bei den Fans. Die ARGE ist Wildmoser kritiklos in den Größenwahn mit der Arena gefolgt. Danach hat sie massiv den damaligen Geschäftsführer Stefan Ziffzer gestützt, selbst als der beim Verkauf der Arena-Anteile an den FC Bayern offensichtlich nicht primär unsere Interessen vertreten hat.”

Der Vertrag von Ziffzer musste ja auf Druck der Bayern verlängert werden, obwohl uns das Wasser bis zum Hals stand. Und er hatte wirklich einen hoch dotierten Vertrag.

die kuriose Rolle von Ex-Geschäftsführer Stefan Ziffzer: “Angeblich wurde er von Edmund Stoiber und der Monika Hohlmeier (früheres Mitglied im 1860-Aufsichtsrat, d. Red.) empfohlen. Und Ziffzer war ja wohl Manager bei der Kirch-Gruppe, als diese mit dem FC Bayern einen Fernsehgeld-Geheimvertrag über 20 Millionen geschlossen hat. Auf eine Sache bin ich stolz: Als Ziffzer nach dem Spiel eine Pressekonferenz gegeben hat, von Linde (Präsident, d. Red.) attackierte und meinte, der Fisch stinkt vom Kopf her, da hab’ ich zum Präsidenten gesagt: So, jetzt schmeißen wir ihn raus. Jetzt kriegen wir ihn ohne Abfindung los. Aber davor war ja die 4-1-4-Situation: vier Pro, vier Arge, und Ude als Friedensstifter. Und Ziffzer hat in jeder Sitzung bei kritischen Fragen zum Verwaltungsrat gesagt: ‘Wenn Ihnen etwas nicht passt, schmeißen Sie mich raus. Das können Sie sich aber nicht leisten.’ Der Vertrag von Ziffzer musste ja auf Druck der Bayern verlängert werden, obwohl uns das Wasser bis zum Hals stand. Und er hatte wirklich einen hoch dotierten Vertrag.”

den Spott des FC Bayern: “Als Uli Hoeneß am Boden lag und halb Deutschland auf ihn eingeprügelt hat, gab es von 1860 keinerlei Kommentar. Auch nicht beim letztjährigen Freundschaftsspiel in Saudi-Arabien, wo gleichzeitig ein kritischer Blogger ausgepeitscht wurde. Wenn ein Verein auf dieses Geld nicht angewiesen ist, dann die Bayern, Gleiches gilt für die Trainingslager in Katar oder deren Flughafen-Sponsoring. Ja - angesichts dieser Tatsachen bin ich verärgert. Die haben uns keine Ratschläge zu geben und dazu moralisch jedes Recht verloren!”