VON OLIVER GRISS

Es ehrt die Marketingabteilung des TSV 1860, dass sie sich Gedanken macht, wie man wieder mehr Fans für Münchens große Liebe begeistert. Vor einigen Tagen hat der Löwe die Aktion “Niemals schweigen, Flagge zeigen” ins Leben gerufen. Grund: Das Desinteresse in der Allianz Arena an den Löwen.

Heute droht gegen Erzgebirge Aue ein neuer Saison-Minusrekord - und das obwohl die aufgrund von Verletzungssorgen arg dezimierte Mannschaft in diesen Tagen die Unterstützung mehr als gebrauchen könnte. Möglicherweise werden heute nicht mehr als 16.000 Anhänger dem Ruf ihres Vereins folgen. Tristesse in einem Stadion, das ein Fassungsvermögen für 72.000 Fans bietet.

Doch allein mit einer Marketingaktion werden die Fans nicht wieder zurückkommen - dazu bedarf es mehr. Die Löwen müssen erstmal selbst ihre Hausaufgaben erledigen. Heißt: Attraktiven (und wenn möglich) erfolgreichen Fußball bieten, Identifikationsfiguren wie beispielsweise Victor Andrade, die für die Aha-Momente sorgen können, auf Dauer verpflichten und vor allem auch auf die eigenen Talente setzen. Der nun eingeschlagene Weg von Kosta Runjaic, auf Eigengewächse wie Felix Uduokhai oder Florian Neuhaus zu setzen, ist lobenswert. Die Fans können sich mit solchen Spielern besser identifizieren als mit einem mittelmäßigen Wandervogel.

Die Fans aufzufordern, ins Stadion zu gehen, ist legitim. ABER: Der Fan braucht endlich Belege für ein Umdenken im Verein. Nach über einem Jahrzehnt sind die Fans misstrauisch und müde geworden. Aus vielen Fanclubs in ganz Bayern ist zu hören, dass sie sich mehr Basisarbeit des Vereins wünschen (Testspiele in der Region, Spielerbesuche bei wichtigen Fanclub-Veranstaltungen, mehr Identifikation mit dem Verein) - und auf der anderen Seite hat man immer noch keine Lösung mit den stimmgewaltigen Ultras gefunden. Sie boykottieren weiter die Heimspiele am Fröttmaninger Müllberg, weil sie in der Stadion-Frage noch keine detallierten Fortschritte sehen.

Der Ehrgeiz und die finanzielle Unterstützung von Ismaik (neue Plätze, mehr Budget) allein reicht nicht, um 1860 wieder groß zu machen. Der Verein ist in der Pflicht, die Wünsche seiner Fans endlich anzunehmen. Ansonsten wird man auch am Ende dieser Saison säuseln: Wieder wurde ein Jahr verloren.