VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)

Mit diesem Echo hat 1860-Investor Hasan Ismaik bestimmt nicht gerechnet. Er forderte die Löwen-Fans zuletzt über seine Facebookseite dazu auf, ihm beim Kampf gegen die 50+1-Regel zu unterstützen. Die Reaktion der Anhängerschaft ist eindeutig. Nicht nur Ismaik darf sich angesprochen fühlen, sondern auch Präsident Peter Cassalette. Für große Unverständnis sorgt vor allem die Presseerklärung des 62-Jährigen nach dem Abu Dhabi-Besuch. Der Fanrat des TSV 1860 hat nun einen offenen Brief verfasst - wir haben ihn im Wortlaut:

Mit Schrecken hat der Fanrat des TSV 1860 München die Stellungnahme von Präsident Peter Cassalette nach seinem Besuch in Abu Dhabi zur Kenntnis genommen. Nicht nur der inhaltslose Brief an sich sorgt für Unverständnis und Kopfschütteln, sondern insbesondere der quasi beiläufig erwähnte Passus zur 50+1-Regel weckt Besorgnis. Im Schreiben des Präsidenten Cassalette heißt es wörtlich: „Einer der wohl wichtigsten Punkte sei nach wie vor die 50+1-Regel. „Wir haben verstanden, dass das für ihn [Hasan Ismaik, Anm.] ein wesentliches Thema ist”, weiß Cassalette. Falls es in dieser Angelegenheit zu Gesprächen mit der DFL kommen sollte, sei der Verein daran interessiert, teilzunehmen.”
Wie viele andere Beobachter auch sieht der Fanrat in diesem Absatz den erstmaligen Versuch, die in Deutschland geltende 50+1 Regel der DFL aufzuweichen, um Hasan Ismaik zusätzliche weitreichende Machtkompetenzen zuzugestehen. Sollte das Präsidium des TSV München von 1860 e.V. an diesem Schritt arbeiten, würde dies für weite Teile der Anhängerschaft des TSV 1860 München einen nicht zu billigenden Vorgang darstellen. Eine Unterwanderung der 50+1-Regel ist weder im Interesse des Vereins noch seiner Mitglieder. Vielmehr würde der Verein durch diesen Schritt an seiner eigenen Ablösung innerhalb der KGaA arbeiten und somit seinen Einfluss auf die Profiabteilung gezielt selbst schwächen.
Die Vermutung liegt nahe, dass es von Seiten Hasan Ismaiks in Richtung des Präsidiums zu einem Erpressungsversuch gekommen ist: Der Verein solle sich bei der DFL für eine Lockerung der 50+1 Regel einsetzen, um weitere Darlehen von Hasan Ismaik zu erhalten und so die drohende Insolvenz der KGaA abzuwenden. Sollte dies der Fall sein, sehen wir das Präsidium in der Pflicht die Öffentlichkeit darüber zu informieren.
Die 50+1-Regel hat sich in den vergangenen Jahren als wirksames und erhaltenswertes Instrument erwiesen, um den Fußball in Deutschland in der Form zu bewahren, für die er in weiten Teilen Europas beneidet wird: Als Volkssport mit moderaten Eintrittspreisen, Stehplätzen, lebendigen Traditionsvereinen und einer ausgeprägten Fankultur ohne die ausufernden und perversen Auswüchse einer kompletten Kommerzialisierung. Zwar gibt es auch hierzulande Entwicklungen, welche diesen Zustand bedrohen, doch zeigt sich mit Blick nach England deutlich, dass unbegrenzte Möglichkeiten für Investoren - wie von Ismaik vehement gefordert - zahlreiche Schattenseiten mit sich bringen. All die aufgeführten Vorzüge des deutschen Fußballs sind in Ländern wie England mittlerweile unvorstellbar geworden und eng mit der freien Handhabe für Investoren verknüpft.
Des Weiteren hält der Fanrat fest, dass eine Lockerung der 50+1-Regel nicht zwangsläufig die Rückkehr des sportlichen Erfolgs bedeuten würde. In den vergangenen fünf Jahren hat sich Hasan Ismaik weder als verlässlicher Partner noch als fachkundiger Mehrheitsgesellschafter präsentiert. Seine wenigen Besuche in München waren geprägt von Stimmungsschwankungen, nicht eingehaltenen Versprechen, irrsinnigen Forderungen, ausufernden Personalwechseln und peinlichen öffentlichen Auftritten, welche er mit seiner aktuell laufenden, fast schon skurril anmutenden Kampagne in den öffentlichen Netzwerken – zum Schaden des Vereins - nahtlos fortsetzt. Für den Fall, dass Hasan Ismaik das Interesse an den Löwen verlieren sollte (vor wenigen Wochen kokettierte er schließlich noch öffentlich mit dem Kauf eines englischen Premier-League-Clubs), besäße der Verein nach einer Aufweichung der 50+1 Regel möglicherweise nicht einmal mehr die Möglichkeit, über einen Nachfolger zu bestimmen. Derzeit ist dies noch möglich.
Daher fordern wir das gewählte Präsidium des TSV München von 1860 e.V. auf, sich vehement für die Bewahrung der 50+1-Regel einzusetzen und etwaige Überlegungen über eine Aufweichung zugunsten des Investors unverzüglich einzustellen. Eine vollständige Abhängigkeit der Profiabteilung von Hasan Ismaik ist weder im Interesse des e.V. noch seiner Mitglieder und darf keine Rechtfertigung für ein zwanghaftes „Überleben“ der KGaA sein!

Was halten Sie von diesem offenen Brief des 1860-Fanrats? Diskutieren Sie mit!