VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (MIS-FOTO)

Petar Radenkovic (82) ist DER größte Löwe aller Zeiten. Die herausragenden Erfolge des TSV 1860 in den 60er Jahren sind ganz eng mit seinem Namen verbunden. Er war Torwart. Er war Idol für mehrere Generationen. Und: Er war der erste Popstar der Bundesliga. Wenn über 1860 gesprochen wird, dann fällt automatisch auch der Name Radi.

Heute lebt der Meister-Torwart von 1966 zurückgezogen mit seiner neuen Frau in Belgrad. dieblaue24 hat den Kult-Löwen in seinem Lieblingslokal in der Münchner Amalienstraße getroffen. Das exklusive dieblaue24-Interview mit der 1860-Legende:

dieblaue24: Herr Radenkovic, der TSV 1860 kehrt heute nach 4443 Tagen Auszeit zurück in Ihr ehemaliges Wohnzimmer, das Grünwalder Stadion. Viele Fans sind aus dem Häuschen. Freuen Sie sich auch?

PETAR RADENKOVIC: Soll ich mich freuen, dass sich der TSV 1860 selbst verstümmelt? Ich bitte Sie: Der Verein hat sich mit dem Auszug aus der Allianz Arena selbst seiner Zukunft beraubt. Ich halte es bei diesem Punkt mit Peter Grosser, Fredi Heiß und vielen anderen: Die Rückkehr ins Grünwalder Stadion ist eine Katastrophe für den Verein. In Deutschland wirst du keinen anderen Verein finden, der freiwillig in eine Ruine zieht. Ich habe mir auch das Spiel in Memmingen nicht angeschaut. Das interessiert mich nicht. Dass 1860 jetzt in der Regionalliga spielt, ist ein riesengroßer Albtraum. Das tut einfach alles nur noch weh. 1860 bereitet nur Kopfzerbrechen.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen?

Wir haben in Belgrad einen Fußballer-Stammtisch mit einigen ehemaligen Präsidenten von Roter Stern und Partizan Belgrad. Alle fragen mich: “Radi, wie konnte das passieren, dass ein Verein mit soviel Tradition, mit diesen Zuschauerzahlen und mit einem schwerreichen Investor in den Amateurfußball absteigt? Wie ist das in einem seriösen Land wie Deutschland möglich?” Ich hatte keine Antwort, weil ich mich selbst frage: Warum ist dieser Verein - auch schon weit vor Hasan Ismaik - in die Hände solcher Machenschaften gefallen? Für mich ist das alles ein Rätsel.

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Für die Vereinsseite ist Hasan Ismaik der Hauptschuldige am Löwen-Desaster.

Das ist eine Frechheit. Die Hauptaufgabe des Vereins wäre gewesen, mit Ismaiks Investitionen seriös umzugehen, das Geld richtig einzusetzen. Wieviele Millionen hat der gute Mann investiert? 60 oder 70 Millionen Euro! Das ist skandalös. Wenn Investoren in England, Holland oder Frankreich einsteigen, dann spielen diese Vereine entweder in der Champions League oder sind auf dem Weg dorthin - und was passiert bei 1860? Steigt der Verein in die Amateurliga ab, um sich in Zukunft mit Dorfklubs messen zu müssen! Das ist nicht nur eine Schande für den gesamten deutschen Sport, sondern auch für das Land Deutschland!

Ismaik wird seit Jahren beim TSV 1860 bekämpft, was sich auch auf die Fanszene ausstrahlt…

In jedem Sportverein gibt es Zuschauer, welche nach einer Extreme, nach einem Chaos streben. Der Unterschied: Bei anderen Klubs sind diese Fans in der Minderheit, bei uns habe ich das Gefühl, dass diese Leute auch in Vereinsgremien sitzen und nicht daran interessiert sind, den TSV 1860 wieder groß zu machen. Seit Jahren wird an diesem Plan gearbeitet, ins Grünwalder Stadion zurückzukehren - und keiner hat diesen Irrsinn gestoppt. Jedes Mal, wenn ich in den letzten Jahren in München zu Besuch bin, dann habe ich gelesen: Grünwalder Stadion, Grünwalder Stadion, Grünwalder Stadion. 1860 hat im Relegationsspiel in der Allianz Arena gegen Regensburg über 60.000 Menschen mobilisiert. Jetzt geht man in ein Stadion zurück, dass nur ein Bruchteil dieser Fans fasst. Ich muss es so deutlich sagen: Dieser Verein ist unbelehrbar. Und nein, ich bin kein alter, seniler Mensch, sondern spreche nur das an, was zehntausende Löwen-Fans denken. Leider sind diese Löwen, anders als die laute Minderheit, nicht stark genug, um ihre Wünsche einzufordern.

Wo waren die Aufsichtsräte von 1860? Warum haben Sie zugeschaut?

Die handelnden Personen beim TSV 1860 schieben die Rückkehr ins Grünwalder Stadion auf die bessere Wirtschaftlichkeit…

Das ist doch alles nur vorgeschoben. Man hätte mit Bayern reden können, aber was ich so mitbekommen habe, verfolgte der TSV 1860 nur ein Ziel: Raus aus der Arena! Die Bayern stehen bei uns in der Schuld. Sie haben ein schlechtes Gewissen, weil sie uns die Stadion-Anteile von 50 Prozent vor zehn Jahren für rund 11,3 Millionen Euro abgekauft haben. Das ist absurd! Das war der größte Fehler der Vereinsgeschichte. Wo waren die Aufsichtsräte von 1860? Warum haben Sie zugeschaut? Normalerweise müsste uns der FC Bayern, nachdem was alles vorgefallen ist, 20 Jahre umsonst in der Allianz Arena spielen lassen - weil das Stadion samt Infrastruktur eine Milliarde wert ist. Und ich sage es ganz deutlich: Würde 1860 Bundesliga spielen, wäre auch die Arena zu klein. Wir sind ein Volksverein, ein Klub, der die Massen anzieht, wenn der sportliche Erfolg passt. Wie will 1860 im Grünwalder Stadion Geld verdienen und interessant für Sponsoren sein? 1860 hat jetzt nichts mehr, der Verein fängt jetzt unter Null wieder an.