VON OLIVER GRISS

Es war nach dem frühen 0:1 in Fürth im vergangenen Sommer, als ich Kosta Runjaic nach der Saisonpremiere fragte: “Haben die Löwen keine Geschwindigkeit?” Seine Antwort damals: “Sie liegen falsch!” Später, rund acht Wochen VOR seiner Entlassung, legte ich beim gemeinsamen Frühstücken im Münchner “Schneewittchen” am Glockenbach nach: “Trainiert ihr falsch?” Runjaic: “Alles gut!” Ich dachte mir: Gut, er ist der Fußballlehrer - und ich eben nur der 1860-Reporter.

Doch nach dem vorletzten Spiel der Hinrunde, dem 0:1 in Bochum, erhärtet sich mein Anfangsverdacht: Die Löwen sind nicht nur langsam im Kopf und in den Beinen, sondern auch komplett falsch trainiert. Vorallem die Rolle von Fitnesstrainer Zvonko Komes, der seinerzeit vom Verein als “Königstransfer” angekündigt wurde, wird im nachhinein immer undurchsichtiger. Zwar wirkte die Vorbereitung im Sommer zunächst hoffnungsvoll und zielführend, doch je länger die Hinrunde dauerte, desto offensichtlicher wurden die Defizite in punkto Ausdauer.

Tatsache ist: Selten befand sich eine 1860-Mannschaft in einer so desolaten körperlichen Verfassung wie aktuell - besonders bei Spielern wie Daniel Adlung, Karim Matmour, Rodnei, Kai Bülow oder Sascha Mölders ist der Fitness-Verfall nicht zu übersehen. Warum der ehemalige Sportchef Thomas Eichin dem Treiben auf dem Trainingsplatz - er war ja selbst langjähriger Bundesliga-Profi - solange zugeschaut hat, ohne pflichtbewusst zu reagieren, bleibt rückblickend ein großes Rätsel. Dass die Arbeit von Daniel Bierofka durch diese Ausgangsposition in den letzten 15 Tagen stark gehandicapt war, ist freilich selbstredend.

Man kann jetzt nur hoffen, dass der neue Trainer Vitor Pereira, dem eine Herkulesaufgabe beim TSV 1860 bevorsteht, nun mit allen sportlichen Vollmachten ausgestattet wird, um das zu tun, was ein Profi jetzt tun muss: Gnadenlos ausmisten und einkaufen - damit der TSV 1860 in der Rückrunde zumindest das Minimalziel Klassenerhalt erreicht! Man kann aber davon ausgehen, dass Investor Hasan Ismaik für seinen Wunschtrainer den Geldbeutel weit öffnet und ihm jeden Wunsch erfüllt. Die Wohlfühloase Giesing muss endlich Geschichte sein!

Wichtig wird in den Vertragsgesprächen mit potentiellem Personal vor allem eines sein: Der TSV muss unbedingt weg von den übertariflichen Rentenverträgen (der dauerverletzte Sebastian Boenisch kassiert beispielsweise 70.000 Euro fix im Monat), die nur die Spielerberater glücklich machen - und wieder hin zu stark leistungsorientierten Arbeitspapieren. Wie man eine Mannschaft sinnvoll aufbaut, sieht man am Beispiel RB Leipzig. Geht der Verein einen ähnlichen Weg, könnten die Löwen wieder in eine (ehrliche) Zukunft blicken.